Die Einschränkungen, die zur Bekämpfung einer Pandemie gesetzt wurden, stellen Menschen mitunter vor große Herausforderungen und ziehen individuelle wie unternehmerische (Sinn-)Krisen nach sich. Gemäß dem österreichischen Arzt und Psychotherapeuten Alfred Adler (1870-1937) sollten kritische Ereignisse eine Gelegenheit sein, nach vorne zu schauen und zu denken: „Was kann ich von nun an tun?“

Die Beantwortung dieser Frage könnte mit einer Erforschung der eigenen Beweggründe beginnen. Warum tun Sie, was Sie tun?

Warum-Wie-Was

Seit ein paar Jahren folgen viele Präsentationen der Gliederung Warum-Wie-Was getan wird. Dies in Anlehnung an die Argumentationslinien bzw. das Modell „der goldene Kreis“ des US-amerikanischen Autors Simon Sinek. Dieser stellt anhand von Beispielen die These auf, dass wir mehr Menschen mit unseren Angeboten erreichen, wenn wir ihnen zuerst erklären, warum wir etwas tun. Danach die methodische Herangehensweise (Wie) und erst dann, welches Produkt / welche Dienstleistung (Was) – scheinbar schlüssig – dabei herauskommt.

Das Ziel: Vertrauen schaffen. Denn wir vertrauen Menschen die uns ähnlich sind oder ähnlich denken wie wir selbst. Dieses Prinzip kennen gute VerkäuferInnen schon lange. Wir erreichen Menschen und können sie begeistern, wenn wir selbst von etwas begeistert sind. Ob es sich bei dem Gesagten um eine gut aufbereitete PR-Strategie oder um den Ausdruck tiefster Überzeugung handelt, ist für die EmpfängerInnen einer Botschaft nicht immer eindeutig auszumachen.

Simon Sinek begründet die Wirkung seiner These mit Erklärungen über das menschliche Gehirn. Im Neocortex verstehen wir laut Sinek das genannte „Was“. Der Neocortex ist der entwicklungsgeschichtlich jüngste Teil des Gehirns. Er ist biologische Grundlage unseres Gedächtnisses und verantwortlich für Sprache, Verstand, zielgerichtete Handlungen, Gefühlsleben etc. Das ist wissenschaftlich belegt.

Das limbisches System beinhaltet keine Sprache und dient zur Verarbeitung unserer Gefühle. Es steuert das menschliche (Trieb)Verhalten und sorgt dafür, dass wir neue Dinge lernen bzw. Erinnerungen im Gedächtnis speichern. Das genannte „Wie“ und das „Warum“ begreifen wir laut Sinek im limbischen System. Das ist möglich. Möglich ist auch, dass es sich dabei um eine von vielen Zuschreibungen an das limbische System handelt.

Lebensaufgaben

Schauen wir also, welche Lösungen ein Meister auf diesem Gebiet anzubieten hat.

Alfred Adler spricht von unserer Lebensaufgabe, die sich zusammensetztn aus den Aufgaben der Arbeit, den Aufgaben der Freundschaft und den Aufgaben der Liebe. Adler geht dabei von drei unterschiedlichen Bindungen an die Gesellschaft aus, mit denen ein Mensch zwangsläufig konfrontiert ist, wenn er/sie als soziales Wesen leben will. Bei den Lebensaufgaben hat man keine Wahl – man muss sich ihnen stellen.

Diese Aufgaben gehen einher mit der Frage nach einem „Warum“. Welchen Sinn das Leben hat, muss jede und jeder Einzelne selbst bestimmen. Und: Man kann diesem Leben eine Bedeutung geben. Jeder Mensch selbst ist der/die Einzige, dem eigenen Leben Sinn zu verleihen.

Für die Suche nach dem eigenen Weg und zur Orientierung, um diesen nicht zu verlieren, hält die Psychologie Adlers einen „Leitstern“ quasi als Kompass hoch. Es ist ein weites Ideal, das besagt: „Solange wir diesen Kompass nicht aus den Augen verlieren und uns weiter in diese Richtung bewegen, gibt es Glück“. Der Leitstern ist für Alfred Adler das Engagement für andere. Solange sie den Leitstern des „Ich engagiere mich für andere“ nicht aus dem Blick verlieren, können Menschen tun, was immer sie möchten.

Und Sie?

Was ist Ihr „Leitstern“ für die Aufgaben der Arbeit? Ist es – im weiteren Sinn – das Engagement für andere? Ist das, was Sie anbieten oder in der Welt manifestieren, zum Wohl anderer Menschen? Egal, was genau Sie damit meinen.

Nun, dann ist die Formulierung eines PR tauglichen „Warum“ nicht zwingend der nächste wichtige Schritt bzw. erste Priorität. Seien Sie also nicht zu streng mit sich, wenn Sie auf die scheinbar einfache Frage „Warum tue ich, was ich tue?“ nicht sofort eine Antwort gefunden haben.

Sie haben hoffentlich schon einmal eine Ärztin konsultiert, die Ihren Beruf mit Begeisterung ausübt. Wenn diese erklärt, dass sie immer schon Ärztin werden wollte, braucht es dann noch ein „Warum genau“? Oder denken sie an einen Tischler, der mit Stolz und Freude sein fertiges Möbelstück anschaut – muss der überhaupt noch etwas sagen?

Mir ging es übrigens ähnlich. Und meine Antwort auf die Frage nach dem „Warum tue ich, was ich tue“ lautet: Weil ich’s kann und weil’s Spaß macht. Das ist keine PR taugliche Formulierung; daran könnte ich noch arbeiten. Aber so einfach meine Antwort auch klingen mag, so zufriedenstellend ist sie für mich selbst. Diese Antwort verbindet mich wieder mit der Freude. Sie macht mir Lust mir anzusehen, was ich tue oder tun will, und wie ich es tun kann. Während und nach der Krise.

Nämlich: Als Beraterin, Coach oder Moderatorin mit Ihnen an dem zu arbeiten, „Was“ Sie tun und „Wie“ Sie es tun, jetzt und zukünftig. Und wie es gelingt, mit Menschen in Kontakt zu kommen und sie zu begeistern, für das was Sie tun. Eventuell arbeiten wir auch am „Warum“.

Verwendete Literatur

Adler, Alfred: Gesammelte Werke, Anaconda Gesammelte Werke Band 29, 2020

Kishimi, Ichiro / Koga, Fumitake: Du musst nicht von allen gemocht werden: Vom Mut, sich nicht zu verbiegen, Rowohlt Taschenbuch , 2018

Sinek, Simon: Start with Why /How Great Leaders Inspire Everyone to Take Action, Portfolio, 2009

Spektrum.de: Lexikon der Neurowissenschaft: limbisches System, www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/limbisches-system/7089, Copyright 2000 Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg

Anna Elisa Malleier-Obermair, www.anna-wirkt.at