Covid 19 und die Entwicklungen der letzten Monate lassen niemanden unbeeindruckt. Die meisten Menschen wurden in ihrer Lebens- und Arbeitsweise erzwungenermaßen gefordert, kreative Lösungen zur Bewältigung großer Herausforderungen zu finden. Viele Menschen sind verunsichert. In unsicheren Zeiten kann eine Einordnung der Situation, der eigenen Gefühle und Gedanken sehr hilfreich sein. Manchmal bieten auch Modelle eine gewisse Orientierung und ich denke, das 3 Sektoren Modell kann dafür Anhaltspunkte liefern. Die drei Sektoren sind: Komfortzone, Lernzone und Panikzone (1).

Das 3 Sektoren Modell Komfortzone – Lernzone – Panikzone

Jeder Mensch agiert im sogenannten 3-Sektoren Modell, das verschiedene Verhaltensweisen bzw. Bereiche des Empfindens beschreibt: Wo fühle ich mich wohl, wo wage ich etwas Neues oder wo fühle ich mich in meiner Sicherheit bedroht. Je nach Situation und persönlicher Verfassung bewegen wir uns in einer bestimmten Zone.

Komfortzone

In der Komfortzone befinden wir uns auf sicherem Boden. In diesem Bereich fühlen wir uns wohl, hier haben wir Kontrolle. Alles ist vertraut, vieles Routine, wir müssen uns nicht besonders anstrengen um Aufgaben zu bewältigen. In der Komfortzone erlebt man keine Überraschungen. Unsicherheit und Angst sind nicht vorhanden oder „kein Thema“.

Dass ein Aufenthalt in der Komfortzone – beispielsweise das Anwenden bewährter Lösungen – Vorteile für Menschen und Organisationen hat, wird gelegentlich vergessen. Routine bei alltäglichen Tätigkeiten minimiert den Energieaufwand, sorgt für Effizienz und sichert Verlässlichkeit, Planungssicherheit und Vertrauen. Umgekehrt können Routine und das Beharren auf liebgewonnenen Lösungen vor allem in beruflicher Hinsicht riskant sein, denn die Welt um uns stagniert nicht. Veränderungsbereitschaft und das Anpassen an den Markt bzw. neue Gegebenheiten sind erforderlich um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Neue Erfahrungen bedeuten zunächst ein Verlassen der Komfortzone. Das kann als unbequem empfunden werden, Unsicherheiten können auftreten. Aber ein dauerhafter Aufenthalt in der Komfortzone unterfordert und wird vielen Menschen zu langweilig. Menschen nehmen neue Herausforderungen an und gehen Risiken ein. Denn das Erreichen von Zielen oder das Realisieren von Träumen sind eine große Motivation, die Komfortzone zu verlassen und Neues zu wagen. Für die persönliche Weiterentwicklung und jene eines Unternehmens ist es wünschenswert, dass Lernprozesse in Gang gesetzt werden und im Idealfall zu positiven Veränderungen führen. Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn das Neue zur Routine wird, wird es eine Erweiterung der Komfortzone.

Diese Stimulation durch positiven Eustress funktioniert bis zu einem bestimmten Schwellenwert, der bei jedem Mensch anders definiert ist. Wird diese Grenze über einen längeren Zeitraum überschritten, geraten wir unter Dauer-Stress und die Performance sinkt. Sind wir unterfordert, sind wir nicht mehr produktiv. Wird aber die Unsicherheit zu groß, sind wir es auch nicht mehr. Wer die Komfortzone zu schnell verlässt, wer zu viel auf einmal will, der überdreht das Stimulationsrad und überfordert sich bzw. andere Menschen. Ein blindes „raus aus der Komfortzone“ klärt auch noch nicht die Frage „wohin“. Auf diese Weise  überspringt man die Lernzone und landet direkt in der Panikzone. Dort erwarten uns Überforderung, Frustration und Widerstand.

Das Ziel ist also, das für uns passende Maß zu finden, wie wir durch Lernprozesse und gewisse Unsicherheiten unsere Fähigkeiten erweitern können und damit in einer erweiterten Komfortzone landen. Im Idealfall lernt unser Gehirn aus diesem Gefühl der „produktiven Unsicherheit“ und wir fürchten uns nicht mehr so, auch in Zukunft Neues auszuprobieren (2). Solche Erfahrungen haben wir alle schon gemeistert. Erinnern Sie sich beispielsweise daran, wie Sie Radfahren gelernt haben.

Lernzone

In der Lernzone haben wir die Chance uns zu entwickeln und neue Fähigkeiten zu erwerben. Hier erhalten wir neue Anregungen, durchbrechen die Routine und wachsen mit neuen Herausforderungen. Da wir unbekanntes Terrain betreten wird es schwieriger für uns. Wir fühlen Verunsicherung, vielleicht sogar Angst.

Die Lernzone ist kein Versprechen auf ein Happy End. Wir gehen das Risiko ein, nicht zu wissen wie das Resultat aussieht. Persönliche und berufliche Weiterentwicklung ist nur durch das Lernen neuer Erfahrungen und Inhalte möglich. Auch Fehler machen und Scheitern gehören zu unseren Lernerfahrungen. Wer sich aus Angst vorm Versuchen, Fehler Machen oder Scheitern nichts mehr traut, stagniert. Hätten wir als Kinder so agiert, wir könnten nicht Fahrrad fahren. Wer ein Ziel erreichen will, muss den Schritt in diese Zone wagen und sich Stück für Stück in neue Bereiche vortasten.

Ist es wirklich ein „Muss“? Könnte das nicht auch Spaß, Erleichterung, Effizienz usw. bringen? Ist es wirklich so schwierig oder muss ich es einfach nur mal ausprobieren? Was ist mein Zugang zu lernen und kennenlernen?

Panikzone

Es ist nicht immer einfach, die Komfortzone zu verlassen. Neues, Unbekanntes verlangt uns den Mut zur Veränderung ab und die Bereitschaft ein Risiko einzugehen. Aber aus der Komfortzone herausgerissen zu werden ist immer eine schwierige Herausforderung. Ist die Veränderung zu groß oder zu rasch erfolgt, fehlen Informationen und Orientierung. Wir erleben negativen Distress und die Unsicherheit nimmt zu. Und damit die Gefahr in der Panikzone zu landen.

Überschreiten Menschen bei Herausforderungen einen individuell bestimmten Grenzwert, geraten sie leicht unter großen Stress bis hin zur Panik. Das passiert nur zu oft, beispielsweise wenn man zu viel auf einmal bewältigen wollte und scheitert. Oder wenn Jobs verloren gehen bzw. ganze Berufe verschwinden. Der Frust wächst, was mit einem Gefühl der Überforderung und extremer Unsicherheit einhergehen kann. Über einen längeren Zeitraum in der Panikzone zu verharren, würde das Gefühl von Kontrollverlust schüren und im schlimmsten Fall lähmen bzw. handlungsunfähig machen.

Was als Komfortzone, was (noch) als Lernzone und was als Panikzone empfunden wird, ist individuell verschieden. Die Lernzone des einen kann bereits die Panikzone der anderen sein. Jeder Mensch bewältigt Herausforderungen und Stress anders. Auch im Unternehmen ziehen Menschen die jeweilige Grenze zwischen Komfortzone, Lernzone und Panikzone unterschiedlich.

Corona gleich Krise?

Corona hat uns alle aus einer Komfortzone gerissen. Plötzlich war da etwas Neues, das die Gesundheit gefährdet und schwer einzuschätzen ist. Das und die drastischen Einschränkungen, die im Zuge dessen vom Gesetzgeber auferlegt wurden, haben die Menschen auf sich selbst zurück geworfen. Das bringt vieles in Bewegung und ist nicht einfach. Auch der Weg zurück in eine Normalität ist das nicht.

Auf sich selbst zurückgeworfen zu werden ist eine einschneidende Erfahrung und löst Unbehagen, Unsicherheit und Angst aus. Das geht allen Menschen so. Und alle gehen unterschiedlich mit dieser Verunsicherung um. Bei manchen Menschen gewinnt die Angst Oberhand, bei anderen sind es andere Gefühle.

Manche haben in dieser Situation eine Komfortzone wieder entdeckt, die sie schon einmal verlassen haben und die sich jetzt wieder gut anfühlt. Viele haben die Entschleunigung genossen und genutzt, um auszuspannen und Ressourcen aufzutanken. Es war / ist auch eine Zeit um die eigenen Werte bewusst zu überdenken: „Was ist mir wirklich wichtig? Was brauche ich im Leben? Was sind meine persönlichen Kraftquellen?“

Manche Menschen haben die Veränderungen als neue Möglichkeiten erkannt und die Situation, die entstandenen Freiräume und die gewonnene Flexibilität genutzt. Während die einen gelernt haben „Offline“ ist möglich, haben die anderen die Möglichkeiten der Digitalisierung für sich entdeckt. Homeoffice, Tele- und Videokonferenzen, Internet-Teaching und Distance-Learning stellten sich als probate Möglichkeiten dar, die bis dahin oftmals undenkbar waren. Bei manchen ist im Umgang mit ehemals angstbesetzten digitalen Medien eine neue Komfortzone entstanden. Manche haben aus diesen Erfahrungen eine neue Arbeitsweise oder neue Geschäftsmodelle entwickelt.

Wir alle mussten mit Schwierigkeiten, Herausforderungen und Veränderungen umgehen. Und viele haben es geschafft! Viele Menschen konnten Ihr kreatives Potential nutzen um an eigene Stärken, inneren Inspirationsquellen und Talente anzuknüpfen. Sich der eigenen Lebensträume und Ziele wieder bewusst zu werden hilft, diese besser einzuschätzen und Wege zu finden, um sie zu erreichen. Mitunter hilft auch das Gefühl, dass es keine Alternative gibt. Es ist ein In-Herausforderung-Gehen weil man muss. Eine innere Anweisung: „Komm aus der Komfortzone raus, probiere es, nimm die Herausforderung an“. Um dann feststellen, dass es geht; dass sich etwas verändert, wenn man handelt.

Manche Menschen hingegen wurden direkt in die Panikzone geworfen. Mit zunehmender Dauer der Notfall Maßnahmen wackeln immer mehr finanzielle Existenzen, immer mehr Menschen rutschen in die Panikzone. Es dominiert die Angst, wie es weitergeht, persönlich und beruflich. Auch das „Zurück“ ist nicht einfach ein Anknüpfen an „Davor“. Niemand ist nach einer Krise der/die Gleiche wie davor.

Das Gefühl, eine Situation nicht einschätzen zu können und überwältigt zu werden von Angst und Horrorszenarien, lähmt und macht handlungsunfähig. Betroffen sind Mensch und Organisation gleichermaßen. Hier wieder heraus zu finden und nicht von Angst überwältigt zu werden, ist eine große Aufgabe. Ebenso von hier aus zu konstruktiven Lösungen zu finden. Denn Angst ist ein schlechter Ratgeber; angstgesteuerte Lösungen sind selten produktiv.

Way out

Eine Erste-Hilfe-Maßnahme ist, Angst und Unsicherheit zuzulassen und zu akzeptieren, dass sie da sind. Der größte Fehler, den wir in der Panikzone machen können ist, sich diese Gefühle nicht einzugestehen. Man muss sich nicht immer zusammenreißen, man muss die Angst nicht immer verstecken. Wir alle haben Gefühle in uns. Das darf sein und ich darf damit nach außen gehen. Ich darf Angst haben und diese Gefühle rauslassen; sie stecken sonst fest und werden nicht gelöst. Nicht wenige Menschen müssen zuerst einmal lernen, dass Gefühle wie Angst, Unsicherheit oder Scham da sein dürfen. Erst das Zulassen der Angst ermöglicht uns, diese zu regulieren und nicht davon überwältigt zu werden (3).

Ein nächster Schritt ist, Veränderungen in schwierigen Zeiten genügend Zeit und Raum zu geben und das eigene Tempo zu respektieren. Das könnte bedeuten, dass zunächst einmal Trauerarbeit über das, was man verloren hat, notwendig ist (4).

Um aus der Panikzone in die Lernzone zu kommen ist es hilfreich, sich vergangene (Lern)erfolge in Erinnerung zu rufen. Wie habe ich es schon mal geschafft? Worauf kann ich stolz sein?

Jetzt ist es an der Zeit, neue Möglichkeiten auszuloten, Pläne zu entwerfen und Strategien zu verfolgen. Scheuen Sie sich nicht, Hilfe anzunehmen. Als Unternehmensberaterin und systemischer Coach unterstütze ich Sie dabei Klarheit zu erlangen und Ihr Unternehmen „neu“ aufzustellen (5).

Was wird bleiben, wenn es uns gelungen ist, unser Leben und unsere Arbeit neu zu organisieren? Wenn über Corona nur mehr in der Vergangenheitsform gesprochen wird. Wird unsere Lebensphilosophie noch die gleiche sein? Werden wir den Mut haben neue Wege zu gehen? Welche Lernerfahrungen werden wir insgesamt mitnehmen? Eigenverantwortung? Verantwortung für die Gesellschaft? Was werden Ihre „Lessons Learned“ sein?

Literatur

  1. Bardwick, Judith M.:Danger in the Comfort Zone: From Boardroom to Mailroom / how to Break the Entitlement Habit That’s Killing American Business, AMACOM/American Management Association, 1995
  2. Pink, Daniel H.: Drive: The Surprising Truth About What Motivates Us, Canongate Books, 2010
  3. Dogs, Christian Peter / Poelchau, Nina: Gefühle sind keine Krankheit: Warum wir sie brauchen und wie sie uns zufrieden machen, Ullstein, 2019
  4. Kübler-Ross, Elisabeth: Interviews mit Sterbenden, Kreuz, 2014
  5. Anna Elisa Malleier-Obermair, www.anna-wirkt.at