Mensch sein – einfach „Mensch sein“, einfach „Ich sein“. Ist das nicht unsere große Sehnsucht? Und doch spüren wir mitunter einen Schmerz, dass wir nicht wir „Selbst“ sind.  Oder eine Angst, dass dieses „Selbst“ vielleicht gar nicht existiert. Wir spüren, dass wir nicht „ganz Ich“ sind und vielleicht nicht mehr wissen, wer „einfach Ich“ eigentlich ist. Hinter all den Masken und Panzern, die wir über Jahrzehnte aufgebaut haben und den Versuchen, Erwartungen anderer und eigenen Idealvorstellungen zu entsprechen. Da haben wir uns mehr und mehr von uns entfremdet, sind aus unserer Mitte gefallen, sind erschöpft und ausgebrannt. Und bleiben doch auf der Suche nach uns.

Das ZeitKunstFestival „Alphabet der Liebe“ im Schloss Schrattenthal hat dazu unzählige Impulse geliefert. Voller Intensität in Literatur und Musik sowie in Nicht-Sprachlichen-Zugängen wie Malerei und Tanz. Da war die Rede von der Liebe und vom Leben, vom Sterben und vom Rausch, vom Suchen und Versuchen, vom Ver-Führen und Ent-Täuschen, vom Wollen und Verzweifeln, vom Gelingen und Verlieren, vom Lächerlichen und Erhabenen. Genau das ist das Leben. Kein Leben ist immer nur einfach oder immer nur schön. Keines ist ohne Herausforderungen oder Stolpersteine. Und keines ist immer nur schwer oder ohne Liebe – wir würden es nicht überleben.

All diese schönen und schwierigen Erfahrungen sind möglicherweise nur dazu da, um Herausforderungen zu überwinden. Um herauszufinden was es bedeutet „Mensch“ zu sein, was es bedeutet „Ich“ zu sein, nicht „Ego“. Damit wir ankommen können bei uns, bei der Liebe zu uns, bei der Liebe an sich.

Ist das eine naive Vorstellung? Kunst übernimmt ja gerne die Rolle der Vor(aus)Denker: in, auch wenn sie damit ausdrückt, was schon mancherorts gesagt wurde: Wir leben in Zeiten großer Veränderung. Und es ist noch nicht ganz klar wohin dieser Weg führt. Aber der Weg an sich zeichnet sich ab – der Pfad der Liebe, des Menschseins, der Einheit mit uns selbst.

Ich denke, das gilt auch für Beruf und Unternehmer:innentum. Kein Unternehmen kennt immer nur Hoch-Zeiten. Wenn es noch so glänzt wie Gold, nichts ist wie es scheint. Es braucht ein stetiges Bemühen, Dranbleiben, Wagen, Lernen und Reflektieren um erfolgreich zu sein. Genau wie im Leben und in der Liebe, könnte man sagen. Es ist vorbei mit der Trennung hier Arbeit, dort Mensch. Das funktioniert für immer weniger Menschen. Sich der Arbeit zu entziehen, um vermeintlich nur Mensch zu sein, allerdings auch nicht. Dieser Gedanke ist ein Trugschluss, denn er hält die gleiche Trennung aufrecht und beraubt der Möglichkeiten sinnstiftender Arbeit. Vielmehr braucht es das Verbindende – an sich und in institutionellen Systemen. Geht es dabei um Dauerharmonie und Kuschelkurs? Nein, das wäre der Ersatz einer Maske durch eine andere. Es geht um Klarheit, um eigene Meinung und Reflexion derselben, um aufrechtes Sein, Tun, Sprechen auch dann wenn es schwierig ist. Damit können wir heute schon anfangen.